Historikerkommission warnt vor der Zerstörung ukrainischer Archive

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Die Deutsch-Ukrainische Historikerkommission warnt davor, dass im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wertvolle Archivbestände und Kulturgüter der Ukraine zerstört werden. Dies ist Bestandteil einer gezielten russischen Politik, die das historische kulturelle Erbe der Ukraine vernichten will. 

Das Staatsarchiv des Ukrainischen Sicherheitsdienstes in Tschernihiw und seine Sammlung ist durch russische Angriffe in diesen Tagen vollständig zerstört worden. Weitere ukrainische Archive, z.B. in Charkiv, sind bei Angriffen beschädigt worden. Das genaue Ausmaß der Zerstörungen ist noch unbekannt. Es gibt zudem Hinweise, dass Archivbestände des ehemaligen Geheimdienstarchivs in Doneck und Luhansk nach 2014 nach Russland abtransportiert worden sind. 

Die ehemaligen ukrainischen Geheimdienstarchive waren 2015 für die historische Forschung geöffnet worden und wurden seither von ukrainischen und internationalen Forschern genutzt. Unter anderem ermöglichen die Archivdokumente neue Forschungsperspektiven auf die kommunistischen Repressionen sowie auf die deutschen Besatzungsverbrechen im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine, einschließlich Fragen von Kollaboration. In russischen Archiven liegen diese Materialien weiterhin unter Verschluss. 

Im Zeichen einer vermeintlichen „Denazifizierung" zerstören russische Truppen somit wertvolle Zeugnisse nationalsozialistischer Verbrechen in der Ukraine, die der ukrainischen und deutschen NS-Forschung in den letzten Jahren wichtige neue Impulse geben konnten.

Zahlreiche weitere ukrainische Kulturgüter sind der russischen Zerstörungspolitik bereits zum Opfer gefallen, darunter Kirchen, Museen, Bibliotheken und Holocaust-Gedenkstätten. 

Darüber hinaus versucht Putins Russland, das historische Gedächtnis der Ukraine zu zerstören, indem es die ukrainische Geschichtsliteratur, einschließlich der ukrainischen Geschichtsbücher, vernichtet. Bereits 2014 verbrannten pro-russische Kräfte ukrainische Geschichtsschulbücher auf der Krim, in Charkiw und anderen Orten. 2022 erklärten Vertreter des Putin-Regimes (der erste stellvertretende Vorsitzende des Föderationsrates Andrej Turčak, der Vorsitzende des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation Aleksandr Bastrykin u.a.) die Notwendigkeit, ukrainische Schulbücher zu beschlagnahmen. Gemäß diesen Richtlinien begann die Beschlagnahmung von ukrainischer historischer und belletristischer Literatur, die nicht mit den Postulaten der Kreml-Propaganda übereinstimmt, in Bibliotheken der vorübergehend besetzten Gebiete um Luhansk, Donezk, Tschernihiw und Sumy.

Hinter der Vernichtung von Archivbeständen und ukrainischen Geschichtsbüchern steht eine russische Politik, die ihren Anspruch einer Deutungshoheit über die Geschichte der Ukraine gewaltsam durchzusetzen versucht. Wir verurteilen diese Politik aufs schärfste und warnen vor den katastrophalen Folgen für das historische und kulturelle Erbe der Ukraine.