Zwischen Tradition und Modernisierung: Jüdische Wohltätigkeit im ukrainischen Schtetl im langen 19. Jahrhundert

Wohltätigkeit reflektiert religiöse und/oder säkulare Gesellschaftsvorstellungen und kann als ein zentrales Element gesellschaftlichen Handelns und der Selbstpositionierung in einer Gesellschaft betrachtet werden. Eine Untersuchung wohltätiger Praktiken zielt somit auf grundlegende Fragen nach Gesellschaftsordnungen, Rollenbildern, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen und deren Dynamiken. In dem Projekt wird die Entwicklung jüdischer Wohltätigkeit im Russländischen Reich mit Schwerpunkt auf der Zentralukraine untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf den Großstädten als Zentren der Modernisierung und Vorreiter einer reformierten Wohlfahrt, sondern viel mehr auf dem Schtetl, welches oft als Relikt einer vormodernen Gesellschaft sowie als Inbegriff für jüdische Armut gilt. Der Topos der „Rückständigkeit“ soll anhand von konkreten Fallbeispielen hinterfragt werden. Mikrostudien sollen zeigen, inwiefern neue Ideen und Organisationsformen auf lokaler Ebene rezipiert und umgesetzt wurden.