Zwischen kultureller Wiederbelebung und staatlicher Zensur: Das Ukrainische Poetische Kino der 1960er und 1970er Jahre

Das Ukrainische Poetische Kino der 1960er und 1970er Jahre stellt eine herausstechende Periode in der ukrainischen und gesamtsowjetischen Filmgeschichte dar. Unerwartete künstlerische Freiheit, Allegorismus, ästhetische Mehrdeutigkeit, kombiniert mit avantgardistischen filmischen Verfahren und ukrainischen nationalen Motiven, verlockten und beängstigten zugleich. Den Filmschaffenden dieser Zeit gelang es, mehrere Filme mit einer völlig neuen Ästhetik zu schaffen, die weit abseits des üblichen sozialistischen Realismus lagen.  


Insgesamt werden dem Ukrainischen Poetischen Kino zwischen 10 und 15 Langspielfilme zugerechnet, meist aus den Jahren 1964-1972, gedreht von Regisseuren wie Serhij Paradžanov, Leonid Osyka, Jurij Illjenko, Volodymyr Denysenko, Mykola Maščenko, Borys Ivčenko, Rollan Serhijenko sowie Ivan Mykolajčuk. Etwa ein Drittel dieser Filme wurde unmittelbar nach der Produktion aus ideologischen Gründen verboten und konnte erst in den späten Perestroika-Jahren oder gar in der unabhängigen Ukraine nach 1991 öffentlich gezeigt werden.

Der Hauptfokus dieser Arbeit liegt auf der historischen Kontextualisierung des Filmentstehungsprozesses in den 1960er und 1970er Jahren sowie auf den komplexen Verhältnissen zwischen den Filmschaffenden und den staatlichen Kinobehörden. In erster Linie sollen Filme mit vorsowjetischer Thematik betrachtet werden, da sie für die allgemeine Bewegung für die ukrainische nationale Selbstbestimmung nach der Ära des Stalinismus besonders prägend waren. Die meisten dieser Filme basieren auf literarischen Werken aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert und geben dementsprechend die ukrainische Wirklichkeit vor den Zeiten der Sowjetunion wieder, wie zum Beispiel:
-     „Tini zabutych predkiv“ (1964) von Serhij Paradžanov, basierend auf der gleichnamigen povist’ von Mychajlo Kocjubyns’kyj (1911),
-    „Kaminnyj Chrest“ („Das Steinkreuz“, 1968) von Leonid Osyka, basierend auf den Novellen „Kaminnyj Chrest“ („Das Steinkreuz“, 1899) und „Zlodij“ („Der Dieb“, 1899) von Vasyl’ Stefanyk.