Juden und Christen: Die sowjetische Religionspolitik im multiethnischen Berdytschiw (1921 - 1964)

Die sowjetische Religionspolitik ist als ein Teil der größeren gesellschaftlichen Transformationen im Sinne der Erschaffung eines „Neuen Menschen“ zu betrachten. Wie gottlos war die Sowjetunion tatsächlich? Wie wurden die staatlichen Anordnungen und Direktiven vor Ort umgesetzt bzw. umgangen? Mit welchen Mitteln und von welchen Akteuren wurde die in Moskau beschlossene Religionspolitik vor Ort umgesetzt? Gab es Abweichungen von den Leitlinien der Parteipolitik? Wie viel Spielraum hatten die lokalen Behörden in der Umsetzung der Religionspolitik? Diese Fragen sollen im Rahmen einer mikrohistorischen Studie am Beispiel der zentralukrainischen Kleinstadt Berdytschiw erforscht werden.

Seit dem 18. Jh. spielte Berdytschiw eine wichtige Rolle für Gläubige unterschiedlicher Konfessionen: Katholiken pilgerten nach Berdytschiw wegen der Ikone der Heiligen Maria, die Wunderkräfte haben sollte. Orthodoxe Christen kamen in die Stadt wegen der Ikone des heiligen Nikolaus. Juden besuchten das Grab von Levi Yitzhak. Das religiöse Leben Berdytschiws soll neben der sowjetischen Religions- und der eng mit ihr verbundenen Nationalitätenpolitik zwischen 1921 und 1964 näher beleuchtet werden.