The Holodomor in Academic and Public Debates: Ukrainian and European Perspectives, Berlin, 17.-18. September 2021

Konferenzprogramm

Die sechste Jahreskonferenz der DUHK, pandemiebedingt auf 2021 verschoben, fand am 17.-18. September 2021 im hybriden Format in Berlin statt. Kooperationspartner waren das Holodomor Research and Education Center in der Ukraine und das Osteuropainstitut der Freien Universität Berlin. Die Konferenz wurde vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts (AA) gefördert.

Unter den Massenverbrechen, die die totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts begangen haben, nimmt der Holodomor angesichts der Zahl und der langfristigen intergenerationellen Auswirkungen auf die ukrainische Nation einen besonderen Platz ein. Dennoch ist er in der deutschen Öffentlichkeit außerhalb kleiner Spezialistenkreise so gut wie unbekannt. Durch eine dem Bundestag vorliegende Petition, die auf die Anerkennung des Holodomor als Genozid zielt, hat dieses Thema eine aktuelle politische Bedeutung erhalten.

Die Deutsch-Ukrainische Historikerkommission beleuchtete auf ihrer Jahreskonferenz aus einer historischen und völkerrechtlichen Perspektive die Frage des Genozidcharakters des Holodomor. Dabei legt die Kommission einen besonderen Akzent auf die Historizität der Genozidkonvention, d.h. ihrer spezifischen Entstehungsbedingungen im Jahr 1948. Auch wenn der Holodomor im engeren Sinn kein Thema einer deutsch-ukrainischen Beziehungsgeschichte ist, so gibt es doch einige Aspekte, welche die Geschichte Deutschlands und der Deutschen mit dem Holodomor verbinden.

So war vom Holodomor auch eine deutsche, mennonitische Minderheit in der Ukraine betroffen. Der NS-Staat nutzte die Hungersnot zeitweise propagandistisch gegen die Sowjetunion. An dieser Stelle erweist sich der Holodomor auch als ein globales Thema von kolonialen Ressourcenkonkurrenzen. Bei aller Spezifik des Holodomor ist er nur aus den Bedingungen einer sowjetischen Politik zu erklären, die auch nichtukrainische Regionen wie Kasachstan und die Wolgaregion betrafen. Bei der Konferenz wurde die Frage nach den regionalen Ähnlichkeiten und Spezifika des großen Hungers gestellt, um aus einer komparativen Perspektive die Besonderheiten des Holodomor besser zu erklären. Der Holodomor hat außerdem eine komplexe Erinnerungsgeschichte, die sowohl das Gedächtnis der betroffenen Familien als auch die Ebene der staatlichen Geschichtspolitik, schließlich die transnationale Holodomorerinnerung der ukrainischen Emigration betrifft.

In fünf Panels der Konferenz befassten sich die Kommissionsmitglieder und weitere Historikerinnen und Historiker aus der Ukraine, Deutschland, Belarus, Österreich, den USA und Kanada mit unterschiedlichen Aspekten der Hungersnot in der Ukraine 1932-1933: Es ging u.a. um die Frage des genozidalen Charakters des Holodomor, um den Vergleich mit anderen Hungerkatastrophen, um die internationale Reaktion auf den Holodomor, seinen Nachklang während des Zweiten Weltkrieges und in der heutigen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur.

Am Abend des 17. September veranstaltete die Deutsch-Ukrainische Historikerkommission eine öffentliche Keynote Speech des italienischen Historikers und Holodomor-Experten Andrea Graziosi zum Thema „Famines and Genocides: a Global Perspective“. Die Aufnahme des Vortrages mitsamt der anschließeden Diskussion ist auf dem Youtube-Kanal der DUHK verüfgbar.

Bildergalerie

Unsere Kooperationspartner und Förderer: